« Ich » de Wolfgang Hilbig ou ce que la Stasi fait à l' « auteur » - Université de Nantes Accéder directement au contenu
Article Dans Une Revue Allemagne d'aujourd'hui : revue francaise d'information sur l'Allemagne Année : 2013

« Ich » de Wolfgang Hilbig ou ce que la Stasi fait à l' « auteur »

Résumé

Ziel des Aufsatzes ist es, den Roman „Ich“ von Wolfgang Hilbig im Lichte des Begriffs der Autorschaft zu lesen. Das Thema Staatssicherheit dient als Anlass zu einer Reflexion über die grundlegende Heteronomie moderner Autorschaft. Demnach dient die Analogie zwischen IM- und Schriftstellertätigkeit der Inszenierung von entfremdeter Autorschaft, die gleichzeitig Kennzeichen der Autorschaft in einem diktatorischen Kontext und Paradigma der Autorschaft ohne Autorität ist, wie die Literatur der Moderne etwa von Baudelaire bis Kafka und Beckett nahelegt. In „Ich“ wird dieser Grundgedanke der Moderne kontextualisiert und historisch neu motiviert. Zu fragen ist also, ob der Inoffizielle Arbeiter die wirkliche Natur von Autorschaft entlarvt oder als eine pervertierte Form von Autorschaft anzusehen ist. Somit liest sich der Roman „Ich“ als ein retrospektives Gedankenexperiment über den Status von Autorschaft in der DDR und deren paradoxen Anschluss an das literarische Gedankengut der Moderne: Was passiert, wenn literarische Autorschaft und autoritäres Regime in der Form seiner emblematischen Verkörperung, der Staatssicherheit, aufeinandertreffen bzw. miteinander verfilzt werden? War der entfremdete Autor nicht immer der moderne Autor? Der Roman von Hilbig erzählt nicht nur vom Werdegang und Aufstieg eines Schriftstellers proletarischer und provinzieller Herkunft und dessen Verstrickung mit der Stasi. Sondern er inszeniert auch Autorschaft im Sinne des Verhältnisses zwischen einer Person und den von ihr hervorgebrachten Texten. In Was ist ein Autor? (1969) verortet Michel Foucault Autorschaft zwischen Eigentum und Zuschreibung. Benveniste verbindet in Le vocabulaire des institutions indo-européennes den Begriff Autor ethymologisch (augeo) mit der Bürgschaft und dem Schöpfungsakt. Ist M.W. der wirkliche Autor seiner Texte, wenn sie von der Stasi „autorisiert“ (S. 202) worden sind? Was ist ein Autor, der selber von der Stasi geschaffen und gesteuert wird (327)? fragt der Roman. Gérard Leclerc zufolge (Le Sceau de l’œuvre, 1998) verkörpert die Unterschrift den Grundgestus textueller Autorschaft. Die unleserlichen Zeichen unter der Vaterschaftserklärung, das falsche C. unter dem gekritzelten Phallus an der Kellerwand, das Motiv der Fälschung von Unterschrift sowie des Missbrauches und der Störung von Urheberschaft überhaupt (wie beispielsweise des Verfahrens des Plagiats oder umgekehrt der apokryphen Schrift, wenn Feuerbach einen Text auf der Schreibmaschine von M.W. tippt) zeugen von der zentralen Rolle, welche Autorschaft in „Ich“ zukommt. Darüber hinaus gilt der Begriff der Vaterschaft seit Platons Phaidros als gängige Metapher für Autorschaft. Dass der Pakt mit der Stasi gerade in Form einer Vaterschaftserklärung erfolgt, deckt die Potenzierung der Thematik von Autorschaft im Roman auf: Der Roman „Ich“ lässt sich als eine Autorschaftsparabel interpretieren, die der Frage „wer oder was denkt in mir?“, wie Hilbig in seinem Exposé zu „Ich“ 1992 darlegt, d.h. der Frage nach der existentiellen und essenziellen Heteronomie von Autorschaft experimentierfreudig und gründlich nachgeht. Dabei fungiert die Fremdbestimmung durch die Stasi nur als Variante unter vielen anderen Entfremdungsformen, wie die durch Schlaf, Krankheit, Depression oder Liebe. Somit versteht sich das Ich in Anführungszeichen, das als Titel des Romans firmiert, nicht nur als Infragestellung der Erzählinstanz, sondern auch als Inszenierung von entfremdeter Autorschaft. Der Pronomenwechsel leitet eine Metalepse ein, indem die Grenze zwischen extra- (der Welt, in der erzählt wird) und intradiegetischer Ebene (der Welt, von der erzählt wird) regelmäßig überschritten wird. Dabei werden die Erzählinstanzen jeweils als Schreibinstanzen inszeniert, die den Roman, den wir gerade lesen, verfasst haben können. Folglich lässt sich „Ich“ neben Der Brief oder Eine Übertragung Hilbigs Autorfiktionen zuordnen, wie die Anmerkung am Ende des Romans es andeutet.

Domaines

Littératures
Fichier principal
Vignette du fichier
Terrisse_Stasiauteur.pdf (209.88 Ko) Télécharger le fichier
Origine : Fichiers produits par l'(les) auteur(s)
Loading...

Dates et versions

hal-01781255 , version 1 (29-04-2018)

Identifiants

Citer

Bénédicte Terrisse. « Ich » de Wolfgang Hilbig ou ce que la Stasi fait à l' « auteur » . Allemagne d'aujourd'hui : revue francaise d'information sur l'Allemagne, 2013, 204 (2), ⟨10.3917/all.204.0161⟩. ⟨hal-01781255⟩
129 Consultations
106 Téléchargements

Altmetric

Partager

Gmail Facebook X LinkedIn More